DAX-Konzere schütten aus, statt in Klimaschutz zu investieren

Share

Immer mehr Gewinne kommen Aktionär*innen zugute, statt in nachhaltige Geschäftsmodelle zu fließen. Organisationen fordern Reform der Unternehmensführung.

Statt ausreichend in den Klimaschutz zu investieren, schütten 30 DAX-Konzerne insgesamt einen zunehmenden Teil ihrer Gewinne an Aktionär*innen aus oder bauen damit Finanzreserven auf. Dabei hätten viele den finanziellen Spielraum für die Investitionen, die laut EU erforderlich sind, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Das zeigt ein Bericht von Oxfam Deutschland und Finanzwende von November 2021. Die Organisationen fordern einen unternehmensrechtlichen Rahmen, der sicherstellt, dass Konzerne Aktionärsinteressen nicht länger über das Gemeinwohl stellen.

Der Bericht analysiert, wie 30 DAX-Konzerne in den vergangenen Jahren ihre Gewinne verwendet haben: Die Ausschüttungen legten zwischen 2009 und 2020 mit 85 Prozent fast doppelt so stark zu wie die Gewinne, die um 48 Prozent stiegen. Einzelne Unternehmen (RWE, E.On und ThyssenKrupp) überwiesen sogar in Verlustjahren ihren Anteilseigner*innen Geld. Zudem wuchsen die Finanzreserven von 122 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf fast 200 Milliarden Ende 2020. Hiervon profitieren ebenfalls in erster Linie Aktionär*innen, da größere Rücklagen den Unternehmenswert steigern.

Gleichzeitig hapert es beim Klimaschutz: Oxfam und Finanzwende haben pro Sektor berechnen lassen, welche Investitionen die Konzerne jährlich tätigen müssten, um ihre Geschäftsmodelle bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Das Ergebnis: Alle Unternehmen investieren zu wenig, dabei wären viele dazu problemlos in der Lage – und zwar ohne staatliche Subventionen oder Steuererleichterungen. Im Transportsektor etwa beläuft sich die Investitionslücke von BMW, Daimler, Volkswagen und Lufthansa auf 13,8 Milliarden Euro pro Jahr, ihre Gewinne betrugen zuletzt im Schnitt mehr als das Doppelte. Würden die Konzerne daraus die erforderlichen Klimainvestitionen tätigen, könnten sie im Schnitt immer noch auf dem Niveau der Jahre 2009 und 2010 ausschütten.

Neben den Versäumnissen der Unternehmen beim Klimaschutz untersucht der Bericht auch deren Aktivitäten im Bereich menschenrechtlicher Sorgfaltsplichten. Doch die meisten Konzerne schweigen sich über Investitionen, Lieferketten und Produktionsnetzwerke aus. Dabei gehört Transparenz zu den bereits 2011 von den Vereinten Nationen beschlossenen Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.

Einzige Ausnahme ist Adidas, das sich nach öffentlichem Druck gezwungen sah, seine Lieferketten offenzulegen: Würde das Unternehmen entlang seiner Lieferkette die Zahlung existenzsichernder Löhne sicherstellen, entstünde ein Mehraufwand von rund 567 Millionen Euro. Dies wäre aus den Gewinnen von durchschnittlich 1,22 Milliarden Euro pro Jahr finanzierbar. Würde Adidas seine Dividenden hierfür um 50 Prozent kürzen, lägen die Ausschüttungen immer noch auf dem Niveau von 2013, als sie zu den höchsten in der Textilbranche gehörten.

Vorstände der betrachteten DAX 30-Unternehmen verdienen mit im Schnitt 3,4 Millionen Euro das 48-Fache ihrer Belegschaft. Mit umgerechnet ca. 18,5 Millionen US-Dollar Jahresgehalt ist Linde-CEO Steve Angel Spitzenverdiener und verdient das 245-Fache des durchschnittlichen Gehalts der Linde Mitarbeiter*innen.

Gemeinwohl braucht Gestaltung

Doch in den Konzernetagen dominieren die Interessen der Aktionär*innen ansteigenden Ausschüttungen. Ein Grund hierfür ist die Vergütung der Top-Manager*innen mittels Bonuszahlungen oder Aktienpaketen, was starke Anreize für Geschäftsentscheidungen setzt. „Die Fokussierung auf die Interessen der Anteilseigner führt zu Schäden an vielen Stellen. Immer wieder werden Gewinne privatisiert und Schäden an Mensch und Umwelt sozialisiert“, erklärt Michael Peters, Finanzmarktexperte von Finanzwende. Dabei hat die Gemeinwohlverpflichtung von Eigentum in Deutschland Verfassungsrang: „Eigentum verpflichtet“, heißt es in Artikel 14 des Grundgesetzes.

„Unsere Untersuchung zeigt deutlich: Gemeinwohl braucht Gestaltung. Die Unternehmen könnten andere Prioritäten setzen, wenn sie wollten. Doch die Politik lässt es zu, dass sie sich aus der Verantwortung stehlen. Das muss sich ändern“, fordert Barbara Sennholz-Weinhardt, Wirtschaftsexpertin von Oxfam Deutschland. Der kommenden Bundesregierung schlagen Oxfam und Finanzwende gesetzliche Regeln vor, die Unternehmen dem Gemeinwohl konkreter verpflichten würden, unter anderem:

  • Das Unternehmensinteresse, dem Aufsichtsräte und Vorstände verpflichtet sind, muss die Einhaltung der Menschenrechte und der planetaren Grenzen einschließen – inklusive einer Klagemöglichkeit negativ Betroffener.
  • Unternehmen müssen verpflichtet werden, Strategien zur Umsetzung ihrer Gemeinwohlpflichten zu entwickeln und zu veröffentlichen. Ausschüttungen an Aktionär*innen sollten an Voraussetzungen gebunden und beim Überschuss eines Geschäftsjahres gedeckelt werden.
  • Unternehmen müssen sicherstellen, dass betroffene Interessengruppen wirksam auf die Geschäftspolitik von Unternehmen einwirken können, insbesondere Arbeiter*innen, Lieferanten und lokale Gemeinschaften in den Lieferketten.

More News