Interview mit der ghanaischen Klimaaktivistin Patience Agyekum, SYND Ghana

Share

Interview mit der Klimaaktivistin Patience Agyekum, SYND Ghana

Das Interview mit Patience Agyekum (Klimaaktivistin und Sprecherin für Klimawandel und Politik bei SYND Ghana) wurde am 05.05. 2023 von Sarah Bastian (Agentur Blumberg) durchgeführt.

 

Bitte, stell dich vor

Hallo, mein Name ist Patience Agyekum und ich bin die Ansprechpartnerin für Klimawandel und Politik von SYND Ghana, einer jugendorientierten NGO in Ghana, die sich dafür einsetzt, dass die Stimmen von Kindern und Jugendlichen bei der Planung und Umsetzung der staatlichen Klimapolitik auf allen Ebenen berücksichtigt werden.

Außerdem bin ich 2021-2022 Climate Parent Fellow und gehöre der Jugendberatungsgruppe für das Children’s Cities and Climate Project an der London School of Hygiene and Tropical Medicine an.

 

Wie wirkt sich die Klimakrise auf das tägliche Leben in deiner Umgebung aus?

Die Klimakrise ist ein Querschnittsthema, das sich in verschiedenen Bereichen bemerkbar macht: Landwirtschaft, Energie, Tourismus, Infrastruktur, Gesundheit und auch andere Wirtschaftssektoren. Aber alles ist miteinander verbunden, richtig?

Wir haben zum Beispiel die biophysikalischen Auswirkungen: Veränderungen in unseren Regenmustern, Zunahme der Intensität von Überschwemmungen, Austrocknung von Gewässern. Diese extremen Wetterereignisse haben Auswirkungen auf unsere Landwirtschaft und somit auch auf die Gesellschaft. In Ghana sind die meisten unserer Mütter, Väter und sogar jungen Menschen Bauern und Bäuerinnen. Wir bauen für den Konsum an und exportieren viele Lebensmittel. Die Temperatur- und Niederschlagsschwankungen zerstören die Ernten. Infolgedessen sind die Bäuerinnen und Bauern gezwungen, in die Stadt zu ziehen, z. B. nach Accra, um nach alternativen Einkommensquellen zu suchen, damit ihre Familien überleben können. Junge Frauen sind hier besonders gefährdet, sie haben keinen guten Platz zum Schlafen, keinen Zugang zu guter Nahrung und Wasser und werden oft Opfer sexueller Gewalt.

Auch die Infrastruktur ist stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Unsere Straßen und einige unserer Gebäude wurden unter Berücksichtigung bestimmter Sicherheitsaspekte gebaut. Aufgrund des Klimawandels ist diese Infrastruktur nun beschädigt worden. Erst letztes Jahr, etwa im November, haben wir eine Reise zu verschiedenen Gemeinden unternommen, um uns selbst ein Bild davon zu machen, wie stark sie von der Klimakrise betroffen sind. Es gibt eine Gemeinde in der Volta-Region in Ghana, die vom Anstieg des Meeresspiegels und der Küstenerosion betroffen ist. Ihre Gemeinde wurde buchstäblich weggespült. Es gab eine ganze Gemeinde, die aufgrund einer Sturmflut unter dem Meer begraben wurde. Die Kinder mussten aus den Schulen fliehen, weil der Sturm eine unmittelbare Gefahr darstellte.

 

Wie hat sich deine Umwelt durch die Klimakrise verändert?

Es gab bereits Faktoren, die in bestimmten Teilen des Landes zu Überschwemmungen führten, aber durch den Klimawandel treten diese extremen Ereignisse immer häufiger auf. Die Flüsse trocknen sehr schnell aus. Wenn es regnet, sind die Niederschläge so extrem, dass es zu Überschwemmungen kommt. Der Regen zerstört die Gemeinden, die Straßen und die Gebäude.

Ein Punkt, der für mich sehr wichtig ist, ist die Lebensgrundlage. Viele Bürgerinnen und Bürger sind von der Landwirtschaft abhängig, aber wegen der Auswirkungen des Klimawandels können sie jetzt zum Beispiel nicht mehr zum Fischen ans Meer fahren, sie können nicht mehr auf den Markt gehen, um zu verkaufen.

 

Was könnte zusätzlich zu dem passieren, was Ghana schon jetzt betrifft? 

Es ist klar, dass sich alles, was wir erleben, noch verstärken wird. In den Berichten des IPCCs und in anderen Forschungsarbeiten, sogar in den kürzlich erschienenen Berichten zur Lagebeurteilung, die im Abschnitt über Afrika zu finden sind, wird deutlich, dass sich die Intensität der Überschwemmungen und Dürren, die wir jetzt schon erleben, noch verstärken wird.

Das macht uns, die jungen Menschen und die Kinder, sehr verwundbar. Denn wenn wir die Auswirkungen jetzt nicht verkraften können, stellt euch mal die nächsten 5, 10, 15, 20 Jahre vor.

 

Was wissen die Menschen in der Regierung darüber?

Es gibt ein gewisses Bewusstsein, aber nicht so viel. Es gibt Leute, die in den verschiedenen Ministerien arbeiten, die immer noch versuchen, wirklich zu verstehen, wie sehr wir, sogar als Land, von der Klimakrise betroffen sind.

Aber in Ghana wird viel getan, um das Problem auf politischer Ebene anzugehen, denn Ghana hat das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Wir gehen zu den COPs. Ich glaube, auf der COP 26 war Ghana zum ersten Mal mit einem Pavillon vertreten. Es gibt Vorschriften. Wir haben Daten, national festgelegte Beiträge, d. h. klare Ziele und Maßnahmen, um den Klimawandel einzudämmen.

Derzeit sind wir dabei, nationale Anpassungspläne für das Land zu entwickeln, um wirklich für die nächsten 30, 50 Jahre zu planen und zu verstehen, wie wir als Land vorgehen müssen. Die Anpassung ist für uns als Land sehr wichtig, weil wir die Auswirkungen bereits spüren. Wir müssen also handeln und richtig planen – nicht nur, um die Menschen aufzuklären oder sie zu sensibilisieren, sondern auch, um die richtigen Strukturen zu schaffen, damit wir anfangen können, unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen der Klimakrise auszubauen. Insgesamt haben wir eine gute Politik, aber bei der Umsetzung gibt es noch Mängel.

 

Wie gehst du und die Menschen, die du kennst, mit den Veränderungen um?

Als Aktivistin wird man mit diesen Informationen konfrontiert. Man wird zu Treffen und Workshops eingeladen. Wenn die Sonne heißer scheint als erwartet, weiß ich, dass das eine Folge des Klimawandels ist, richtig? Und wenn der Regen nicht kommt, wenn wir ihn erwarten, weiß ich, dass das ein Ergebnis des Klimawandels ist. Ich und meine Kolleginnen und Kollegen oder die Menschen in meinem Umfeld wissen, dass dies geschieht. Aber es gibt auch andere Menschen, den Durchschnittsghanaer bzw. Durchschnittsghanaerin, die keine formale Bildung genossen haben. Sie sehen, dass der Klimawandel stattfindet. Sie sehen die Auswirkungen auf ihren Farmen und ihren Gewässern, aber sie können sie nicht direkt mit dem Klimawandel in Verbindung bringen.

 

Welche Lösungen gibt es vor Ort?

Es gibt viele Projekte. Meine Organisation, SYND Ghana, macht zum Beispiel viel Klimabildung. Wir arbeiten vor allem mit jungen Menschen. Seit 2019 schulen wir Kinder, damit sie die nächste Generation der Nachhaltigkeitschampions werden. Politische Entscheidungen wurden im Namen junger Menschen getroffen, aber aufgrund unserer Arbeit, unserer Lobbyarbeit und weil wir bewiesen haben, dass wir auch einen Beitrag zur Diskussion leisten können, tragen wir derzeit zur Entwicklung des Nationalen Anpassungsplans (NAP) Ghanas bei, der sich mit Ghanas Plänen zur Anpassung an den Klimawandel befasst.

Außerdem beginnen wir mit einem Projekt zur Wiederherstellung der Wälder. In der Ashanti-Region in Ghana gibt es eine Gemeinde, die früher mit Wald bedeckt war. Aber durch menschliche Aktivitäten wie das Abbrennen von Sträuchern wurde der Wald vollständig zerstört. Wir versuchen, etwa 200 Hektar dieses Landes wiederherzustellen, damit es als Kohlenstoffsenke dienen kann, um einen Teil der Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entfernen.

Wir engagieren uns auch stark in den Gemeinden, gehen in Schulen, in verschiedene soziale Bereiche und auf Märkte, um die Menschen über den Klimawandel aufzuklären. Was ist der Klimawandel? Was müssen sie tun, um die Auswirkungen der Klimakrise abzumildern oder sich an sie anzupassen? Wenn es um Anpassung geht, halte ich Bildung für sehr wichtig.

Insgesamt gibt es viele Jugend-NGOs und andere Organisationen der Zivilgesellschaft, die ihr Bestes tun, um die Bemühungen der Regierung um Maßnahmen zu ergänzen. Aber wir haben noch viel zu tun.

 

Bilder aus dem Engagement von Patience:

More News